Motivation (Worte von 1922)

Meine Motivation, Biotope im Kreis Pinneberg zu beschreiben

Es bringt mir Freude, Naturschilderungen aus der alten Zeit zu lesen. Manches Mal blinkt dort auf, dass Landschaft veränderlich ist, bisweilen schleichend, bisweilen heftig. Die schnellen Veränderungen finden ihren Niederschlag in den Artikeln der Tagespresse, diese Dinge werden bemerkt. Die schleichenden Veränderungen der Landschaft zeigen sich eher an jahrzehntealten Texten, die im Vergleich zu heute den Wandel aufzeigen.

Es blinkt auf, dass die Einstellung zur Landschaft dem Zeitgeist unterworfen ist, so wenn „unzersiedelte Landschaft“ das abfällige „Ödland“ ablöst oder wenn das Wort Biotop erscheint.

Motivation in Worten aus dem Jahr 1922

Im Süden des Kreises erhebt sich hart am Nordufer des Elbstromes die scharf ausgeprägte Hügelkette des „Hohen Elbufers“, die von der Pinneberger Gegend oder der Wedeler Heide aus wie ein ferner Gebirgszug erscheint. Im Bauersberg (92 m) und Süllberg (80 m) besitzt sie ihre höchsten Punkte. Die hügeliegen Ufer, der breite, von Schiffen belebte Strom, die herrlichen Kunstgärten und prachtvollen Bauten, Natur und Kunst, schufen hier eine Gegend schönster landschaftlicher Reize.

Die Bewohner der Großstadt wissen diesen Teil unserer Kreises zu schätzen. Die Liebe zur Heimat und zur heimatlichen Scholle umfasst für den Großstädter nicht nur die Elbe selbst; auch das ganze Elbufer von Altona an über Blankenese bis Wedel nennt er seine ureigenste Heimat. Aber auch auf andere Gegenden unseres Kreises erstreckt sich die Großstadt Hamburg mit ihren Landsitzen; fast an jeder Bahnstation enstand im letzten Jahrzehnt eine Gartenstadt oder doch der Anfang davon. Die Sehnsucht des handeltreibenden Hamburgers bleiben die eigne Scholle, das eigene Heim und der blühende Garten. Jahr um Jahr zieht die Kultur der Großstadt den Kreis Pinneberg weiter in ihren Bann; für weitaus die meisten Erwerbszweige bedeutet sie das Hauptabsatzgebiet der Produkte des Kreises. Eine weitsichtige Kreisverwaltung hat durch den Ausbau eines Netzes von Verkehrswegen dafür gesorgt, dass diese Lebensgemeinschaft immer enger wird.

Der Ackerboden der Geest besteht freilich meist aus Sandboden, gelegentlich mit Lehm durchmengt; aber Menschenfleiß hat fast überall ertragreichen Boden geschaffen. Die weiten Wiesenniederungen gestatten den meisten landwirtschaftlichen Betrieben, eine erhöhte Stückzahl von Vieh zu halten und vor allem aus der Milchwirtschaft eine Haupteinnahme zu erzielen. Ueber den Umfang der Schweinemast und ihre wirtschaftliche Bedeutung gibt das Ergebnis de Viehzählung 1910 ein anschauliches Bild.

Moor und Heide

Einstmals waren die Moor- und Heidegebiete unserer Landschaft von beträchtlicher Ausdehnung. In den letzten 50 Jahren ist bereits ein Teil dieser Oedländereien für den Anbau gewonnen worden. (speziell zum Himmelmoor)

„Eh‘ ein Jahrzent vergeht, die Heide wie ein Kornfeld steht.“

Teils sind diese Gebiete durch Pflug und Dünger in ertragsfähiges Kulturland verwandelt worden, teils sind sie die Heimat ungezählter Tannenbäume, die um die Weihnachtszeit ihren Weg nach der Großstadt machen. Aber noch besitzt unser Kreis in der Wedeler Heide, dem Esinger Moor, dem Himmelmoor usw. größere unkultivierte Flächen, die noch wie die verwünschte Prinzessin „Dornröschen“ des Prinzen harren, der sie aus dem tausendjährigem Schlafe wecken wird. Die kommende Zeit wird diese Gebiete rücksichtslos verschwienden lassen und sie der Volkswirtschaft dienstbar machen.

Landwirtschaft und Baumschulen

Hier im Kreise Pinneberg schließen die Landwirtschaft und ihr verwandter Zweig, die Baumschulindustrie, die der ganzen Landschaft von Elmshorn bis Wedel das besondere Gepräge verleiht, ein inniges Band. Schornsteine zahlreicher Fabriken in fast allen größeren Orten bekunden, dass auch der Gewerbefleiß hier eine Stätte gefunden hat, wie wohl in keinem Landkreise der meerumschlungenen Heimat.

Geest-Wanderung

Lohnend sind für den Naturfreund die Wanderungen durch die Landschaften unserer Geest. Acker- und Wiesenflächen sind von zahlreichen kleinen Hölzungen, gelegentlich auch von stillen Heideflächen und Moorgebieten unterbrochen. Noch findet der suchende Wanderer in den stetig wachsenden Dörfern und in manchen stadtartigen Ortschaften des Kreises den Kern der alten Siedelungen erhalten. Strohdachhäuser aus Fachwerk, mit dem für Südwest-Holsten charakteristischen hohen Holzgiebel und dem geschnitzten Balken mit dem frommen Spruch und dem Tauffschein des Hausses über der großen Tür, unter ihnen hier und da noch alte Rauchkaten aus dem 17. Jahrhundert, bezeichen die einstige alte Dorfstraße. Fast ohne Vergleich steht Appen mit seinen stattlichen Bauernhäusern da, wenngleich die ursprüngliche Dorfanlage auch dort durch unschöne Neubauten bereits beeinträchtigt wird.

Bilder, formuliert vor der Zeit der allgegenwärtigen Fotografie

Die niederdeusche Schönheit der Elbe und ihrer Marsch deutet uns Rich. Linde (1913): „Die Schlichtheit der Horizontlinie ist die reiche Quelle malerischer Vorzüge. Aus ihr erklärt sich der Bilderreichtum. Denn wo nur eine Senkrechte den Horizont schneidet, entsteht für das gleitende Auge ein Ruhepunkt, um den sich ein Bild gruppiert. So reiht sich Bild an Bild …“

“ Diese Linieneinfachheit teilt sie mit jeder ebenflächigen Landschaft, dem Meere, dem Watt, dem Fjeld, der Heide, dem Moor. Eigentümlich sind diesem Wasserlande bestimmte Motive, die es nur hier gibt: das weißgraue Prielwasser, das umsäumende Schilf, die hangenden Weidenreihen, die Rinder und Rosse. Auch das besondere Menschenleben. Es ist das uralte Gewerbe des Schiffers und Landmanns, das in seinen typischen Bildern von nie erschöfpter Schönheit sich hier abspielt: der Säemann, wie er in die aufgerissene Furche den Samen streut, die Schnitter, die Binderinnen, der Erntewagen, der Pflüger mit den braunen Rossen, über graue Schollen den Pflug führend.

Der Text stammt – mit Auslassungen und leichter Anpassung der Rechtschreibung – aus der Einführung des Buches

„Geschichte und Volkskunde des Kreises Pinneberg“ Herausgegeben von Rektor Wilhelm Ehlers, Rendsburg. Elmshorn 1922

Unveränderter Nachdruck der Originalausgabe Rellingen 1977