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Kuhfladen und planetare Grenzen
Ein Bericht, was der Kuhfladen für die Bewahrung einer Welt bedeutet, in der der Mensch leben kann. Der für den Menschen sichere Lebensraum besteht nur innerhalb der planetaren Grenzen. Der Bereich außerhalb des „grünen“ Bereiches ist riskant – riskant bedeutet nicht sofortiger Schaden, sondern erhöhte Eintrittswahrscheinlichkeit für den Schaden.
Sieben von neun Erdsystemfunktionen gelb oder rot
„Mehr als drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich. Die Menschheit verlässt ihren sicheren Handlungsraum und erhöht so das Risiko, den Planeten zu destabilisieren“, sagt Johan Rockström, PIK-Direktor und Co-Autor des Berichts. Die sieben überschrittenen Grenzen sind: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, Veränderung der Landnutzung, Veränderung des Süßwasserkreislaufs, Veränderung der biogeochemischen Kreisläufe, Eintrag menschengemachter Substanzen sowie – neu im Jahr 2025 – Ozeanversauerung.“ Potsdam Institut für Klimafolgenforschung
Hier sind zwei Funktionen betroffen: die Integrität der Biospäre (Biodiversität) und der Eintrag von Chemikalien in die Landschaft.
Wir haben angefragt, die Grafik direkt hier veröffentlichen zu dürfen, bis dahin muss der Link zur Grafik PlanetareGrenzen genügen.
Große pflanzenfressende Säugetiere und ihr Dung
Vor knapp über zehntausend Jahren gab es in Mitteleuropa etliche pflanzenfressende Großsäuger, Elche, Rothirsch, Auerochse und Wildpferd, Wollnashorn, Mammut und weitere. Alle diese hatten „gesunde“ Verdauung, sie produzierten aus der Pflanzennahrung Dunghaufen. Wildpferde kackten konzentriert auf einen Haufen, auch um das Revier zu markieren, und Rinderkotfladen waren von sich aus zwei Kilogramm schwer. Mufflon, Schaf, Elch und Reh haben eher kleine Kugeln ausgeschieden, ein wenig größer als von Elch und Rothirsch.
Gespräche am Dunghaufen
Sollte es uns gelingen, auf einer Naturführung einen Kuhfladen zu finden, so bieten sich mehrere Erzählungen an.
Kuhfladen auf der Weide
So ein Kuhfladen auf der Weide ist selten geworden, kaum mit der heutigen Landwirtschaft vereinbar. Die Hochleistungsrinder stehen im Stall, ihr Mist und ihr Urin wird zur Gülle verarbeitet und dann in halbflüssiger Form auf die Felder verstreut. An diesen Regen von Nährstoffen haben sich bisher keine Tiere evolutionär anpassen können. Nehme wir uns die Zeit und betrachten diesen Haufen eingehender.
Zwei Kilogramm feuchte Pflanzenmasse – viele Fasern noch erkennbar, viele Nährstoffe vorhanden. Erst einmal ein Lebensraum für Mikroben. Fliegen und Schmetterlinge besuchen den Haufen – sie trinken und nehmen dabei Mineralien auf. Andere Arten legen bereits Eier auf den Haufen.
In den nächsten Stunden trocknet der Haufen und es bildet sich eine trockene Haut, die die weitere Austrocknung verlangsamt. Es gibt Maden, die direkt unter dieser Haut leben, andere Arten bevorzugen die Grenzschicht zum Erdboden. Dungkäfer graben unter dem Haufen Löcher in die Erde und versenken Dungmaterial einige Dutzend Zentimeter in die Erde. Anmerkung am Rande – eine beweidete, lebendige Wiese ist ein Kohlenstoffspeicher.
Bei älteren Haufen ist die trockene Hautschicht mehrfach durchlöchert – einerseits, weil Larven durch diese Löcher den Haufen verlassen haben, andererseits, weil Vögel in dem Haufen nach Insekten gesucht haben.
Kuhfladen mit Löchern. Danke an die Stiftung Lebensraum Elbe für dieses Foto. Danke an die Stiftung Lebensraum Elbe für dieses Foto eines Kuhfladens mit Löchern. Die Stiftung Lebensraum lässt einige Flächen an der Krückaumündung von einer kleinen Mutterkuhherde beweiden. FFH-Gebiet an der Krückaumündung (Kreis Pinneberg). Die Art der Beweidung schafft im Sinn dieses Beitrags beste Bedingungen für Kräuter und für die hier erwähnten Insekten.
Nahrungsketten auf dem Dunghaufen: Mikroben, Insektenlarven, Vögel. Oder eine andere Nahrungskette: Dung – Nematoden – Raubmilben – große Käfer.
Da es zwischen diesen Ketten mehrere Verbindungen gibt – Das ausgewachsene Kleine frisst das junge Große, solange es noch klein ist usw – spricht man vom Dungnahrungsnetz.
Pferdeäpfel und Gesundheit der Käfer
Je nach touristischer Nutzung sind auf einer Naturführung Pferdeäpfel leichter zu finden als Kuhfladen. In vielen Fällen bemerkt man das Fehlen von Käfern. Eventuell sind zwar Fliegen auf dem Dung, aber kaum Maden zu finden. Die Tiere werden so streng tiermedizinisch versorgt – oder überversorgt – dass ihr Dung für die Insekten giftig ist. Es gibt eine Untersuchung der Sielmannstiftung über die Anzahl der Käfer in einem Pferdehaufen: in 2008 waren es 1.500 Käfer, im nächsten Jahr unter sonst gleichen Bedingungen weniger als 10 Käfer. In dem Pferdestall wurde in dem Jahr die regelmäßige Entwurmung eingeführt, Anlass war der Ausbruch der Blauzungenkrankheit in dem Gebiet. Die Wirkungsdauer des Medikaments beträgt ungefähr ein halbes Jahr, d.h. bei Medikamentengabe im Frühjahr ist der Pferdedung eine ganze Saison lang für die Insekten verloren.
Hundekot und Stallkühe
Es ist verständlich, wenn an dieser Stelle die Frage nach Hundehaufen kommt. Zuerst dieser Appell, dessen Notwendigkeit leider auf Beobachtungen beruht: Wenn Hundekot vom Wanderweg eingesammelt wird, dann soll die Hundekottüte in eine geordnete Entsorgung gehen. In Plastik verpackter Hundekot gehört nirgends in die Landschaft. Nirgends! Es gibt Naturschutzgebiete, die so sensibel sind, dass der Kot auch nicht neben dem Weg liegen gelassen werden soll – genannt sei hier beispielsweise das Himmelmoor bei Quickborn und andere Moorflächen.
Der unten zitierte Biologe Krawcynski weist in seinen Vorträgen darauf hin, dass Kot der Haushunde für die Insektenwelt ungeeignet ist. Wolfskot enthält Reste des ganzen Beutetiers, insbesondere auch die Haare, dieser Kot ist etwas ganz anderes als Hundekot. Wir füllen vorne in den Hund komisches Zeug aus Dosen oder aus Trockenfutterpaketen hinein und somit kommt auch komisches Zeugst hinten raus. Ungeeignet für die heimische Insektenwelt.
Entsprechend scheiden auch die mit Soja und anderem Kraftfutter gefütterten Kühe keine insektenfreundlichen Haufen aus.
Dungkugelkäfer im Mist
Dungkugelkäfer (Gattung Spaeridium) haben ihre Verwandtschaft als wasserlebende Käfer. Diese Gattung hat sich jedoch auf feuchten Tierkot spezialisiert. Feucht kann bedeuten, dass sich der Dung im Uferbereich befindet. Bei gesunder Anzahl von Großvieheinheiten auf der Fläche und genügend großer Tränke ist es weder für das Wasser noch für die Tiere schädlich, wenn Kot im Uferbereich abgesetzt wird. Es hat sich gezeigt, dass auch Parasiten von Rind und Pferd nicht überhand nehmen, wenn die Hinterlassenschaften der Tiere auf der Weide liegen bleiben. Es gibt genügend räuberische Insekten, die sich über die Parasiten und deren Eier im Dung hermachen. Wenn gesichert ist, dass der Dung auf die hier beschriebene Weise im Nahrungsnetz verwertet wird.
Zwei Exkurse zur Vogelwelt
Großtrappen kommen aktuell nur in einem Revier im östlichen Deutschland vor. Die Küken der Großtrappe benötigen Insektennahrung, insbesondere Käfer. Der Bedarf lässt sich abschätzen: eine Normalfamilie Großtrappen mit drei Küken benötigt den Mist einer ausgewachsenen Kuh, um genügend Nahrung zu finden. In der Praxis mussten die Trappeneltern die Kükenzahl reduzieren, nunmehr wird nur noch ein Ei pro Gelege beobachtet. Eiweißmangel des Muttervogels, im Anschluss daran Nahrungsmangel für die Küken.
Zur Verdauung bei den Auerhuhn-Küken: Junge Auerhühner nehmen auch Kot von den Elterntieren auf. Damit wird die Darmflora geimpft. Dieser Mikrobenstamm ist notwendig, damit die erwachsenen Auerhühner ihre Nahrung aus Fichtennadeln auch verdauen können. Von Hühnern aufgezogene Auerhuhnküken verhungern nach dem Auswildern.
Kleinräumige Landschaftsgestaltung durch Weidetiere
Von Portionsweide oder Rotationsweide spricht man dann, wenn die Rinder auf relativ kleinen Flächen gehalten werden und die Tiere nach wenigen Tagen auf andere Flächen umgesetzt werden. Dieses Vorgehen ist arbeitsintensiv, allerdings werden die Pflanzen dieser Weide sehr gründlich genutzt. Auch die weniger beliebten Gräser und Kräuter werden gefressen, da relativer Nahrungsmangel herrscht. Dieses Vorgehen wirkt sich auf die Insektenwelt der Dunghaufen aus: es gibt kurzzeitig viele Dunghaufen, danach für einige Wochen lang keinen frischen Kot.
Originaldatei veröffentlicht auf iNaturalist by waldgeist at https://www.inaturalist.org/photos/153266933. Cc-by-4.0.
Die Larven der Hornissenraubfliege jagen andere Insekten in Dunghaufen – für ihre Entwicklung benötigt sie zwei bis drei Jahre. Während dieser Entwicklungszeit braucht die Larve daher mehrfach neue Jagdreviere, d.h. frische Dunghaufen. Als Larve ist sie zwar beweglich, kann aber nicht fliegen. Die Dungfladen auf anderen Weiden sind für sie unerreichbar – mit der Nutzungsform Portionsweide hat die Hornissenraubfliege keine Chance zur vollständigen Entwicklung.
Für unsere Fledermaus „Großes Mausohr“ scheint eine Art der extensiven Weidewirtschaft besonders wichtig zu sein. Diese Fledermaus benötigt Insekten, die sie vom Erdboden aufnimmt. Dafür sind Weiden mit Dunghaufen und mit den Pfaden der Weidetiere besonders geeignet. Die Trampelpfade der großen Tiere sind vegetationsfrei, die dort laufenden Käfer stammen aus dem Kothaufen.
Milben am Mistkäfer
Wenn wir einen großen Käfer finden sollten, lohnt es sich, diesen mit der Lupe anzusehen. Oft finden sich helle kleine Tiere auf dem Käfer, Milben diverser Gattungen. In den allermeisten Fällen sind das keine Parasiten dieser Käfer, sondern sie nutzen den Käfer nur als Taxi von einem zum anderen Misthaufen. Danach ernähren sich die Milben dort von Springschwänzen, Nematoden oder anderen winzigen Tieren. Sinngemäß kann man die Milben auch in den Dunghaufen selbst finden.
Lizenzen und Dank
Im Oktober 2025 organisierte die Sielmannstiftung ein Webinar zum Dungnahrungsnetz, Referent Rene Krawcynski. Aus diesem Webinar entstand die Idee zu unserem Text – doch die genannten haben keine Verantwortung für die Richtigkeit dieses Textes. Dieser entstand an unserer Tastatur – ohne Große-Sprach-Modelle.
Für das Titelfoto wurden zwei Fotos aus dem Netz verarbeitet.
Für die planetaren Grenzen: of original image: unknown, of German translation: DeWikiMan, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
Für den Kuhfladen. Thomas Steiner, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons